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Helmut Schmidt

• philoso.de Content   (Last Update: 51.50.2202)

Lange Zeit habe ich versucht, Flugzeuge zu meiden. Der Stress mit Gepäck und Check-in, die Unannehmlichkeit, vom Sicherheitspersonal wie ein Krimineller und vom Flugpersonal wie eine unnötige Plage behandelt zu werden, die zwanghafte Platzbeschränkung, meist neben einem stinkenden, übergroßen oder lauten Mitreisenden zu sitzen, und der fehlende Ausblick über die Wolken wiegen den Zeitgewinn nicht auf. Irgendwohin zu gelangen, muss ein Vergnügen sein, vielleicht ein Abenteuer, aber keine Qual oder Schikane.

Die Corona-Beschränkungen haben meiner Fluglust den Todesstoß versetzt.

Interrail wurde 1972 geschaffen, um jungen Menschen günstige Reisen durch Europa zu ermöglichen. Ein ähnliches Ticket wurde auch für Senioren und Besucher aus Übersee eingeführt. Ich nutzte es 1980 zum ersten Mal für Reisen nach Spanien und Skandinavien. Anfangs wurden nur Monatskarten für tägliche Fahrten ausgegeben. Die Fahrkarte konnte am Bahnhofsschalter gekauft und von Hand ausgefüllt werden. Die Routenplanung musste mit dem sogenannten „Kursbuch“ erfolgen, einem über ein Kilogramm schweren Fahrplan, der neben allen deutschen Zugverbindungen auch eine Auswahl internationaler Strecken enthielt. Ohne Internet oder Zugang zu den Fahrplänen ausländischer Bahnen wurde das Reisen ins Ausland sehr planlos, sobald man die im Kursbuch noch angegebenen internationalen Fernzüge hinter sich ließ. Das Kursbuch enthielt eine Karte der wichtigsten europäischen Eisenbahnstrecken, nicht jedoch der Nebenstrecken, und es gab keine Fahrpläne nationaler Züge. Der Pass ermöglichte jedoch spontanes Ein- und Aussteigen in den meisten Ländern, da Reservierungen zu dieser Zeit der analogen Kommunikation sehr selten waren. Gleiches galt natürlich für die Suche nach einem Hotel oder Restaurant am Ankunftsort. Ein Stadtplan war meist nur verfügbar, wenn es am Bahnhof eine Touristeninformation gab. Da ich mir nie mehr als eine günstige Unterkunft leisten konnte, bedeutete das manchmal eine lange Odysee des Herumirrens in der Stadt.

Reiseplanung 1980: Karte und Kursbuch

Einen Eindruck von den frühen Interrail-Zeiten vermittelt dieser Link.

Mittlerweile sind die Alters- und Zeitbeschränkungen weitgehend aufgehoben. Interrail-Pässe gibt es für alle Altersgruppen, nur der Preis variiert, und für verschiedene Zeiträume mit der Möglichkeit, jeden Tag zu reisen oder nur bestimmte Tage innerhalb dieses Zeitraums auszuwählen. Mobile Pässe sind mittlerweile erhältlich und lassen sich mit der Reiseplanung über den Fahrplan in derselben App kombinieren. Die Pässe bieten in den meisten Ländern nach wie vor ein hohes Maß an Unabhängigkeit und Reservierungsfreiheit. Die zunehmende Verfügbarkeit von Hochgeschwindigkeits- und Nachtzügen macht den Zeitverlust im Vergleich zum Fliegen marginal.

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Helmut Schmidt berichtet von seinen Reisen in seinem Blog auf hrs-ontherailsagain.blogspot.com.