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Vom Geld

Franz Rieder • Vom Geld zum Geld, das Geld ist weg       (nicht lektorierter Rohentwurf)   (Last Update: 26.05.2019)

Vom Geld kommt nichts. Dass im Geld, gar im Bargeld eine autonome Kraft, eine Energie wohne, die in der Lage wäre, Geld zu vermehren, diese Vorstellung mag zwar erotisch, autoerotisch sein, funktioniert nur leider am besten in Jugendträumen und Seeräubergeschichten. Auch die auf einer einsamen Südseeinsel vergrabene Geldkiste ist zunächst einmal wenig Wert, wenn sie lediglich gefunden und im Garten hinter’m Haus wieder vergraben oder ins Kopfkissen eingenäht wurden. Geldhaltung oder Dagobert Duck’sches Geldhorten bringt außer ‚Badevergnügungen‘ nichts. Die Gefahr zudem, den Schatz an den rechtmäßigen Eigentümer wieder herausgeben zu müssen, wächst mit seiner Größe.

Ein Blick in das Archäologische Museum in Heraklion, Kreta, genügt, um dem Geld diese metaphysische Kraft der Wertsteigerung aus sich selbst heraus zu nehmen. Dort dokumentieren Tausende von Siegel, deren erste Verwendung in der Vertragsfunktion, also einer Besiegelung einer materiellen Transaktion lag, weit von dem Jahr 2000 v.Chr. eine andere Geschichte. Die Geschichte des Geldes hat viele Facetten, das Geld viele, auch metaphysische, rituelle, religiöse Funktionen. Eine kontinuierlichen Entwicklung von Siegeln über Münzen, vom Salz bis zu unseren Zahlungsmitteln besteht nicht. Das bloße Vorhandensein sogar eines rechtmäßigen Vermögensgutes in Geldform genügt noch lange nicht, um eine Geldwirtschaft zu konstituieren. Geld ist nicht konstitutiv. In keinster Weise.

Wir haben ausgeführt, dass Geld als Anspruch gegen Eigentum generiert wird. Konstitutiv für eine Geldwirtschaft sind also eine Vermögensverfügung und die Liquidierung dieser Verfügung in Geldform. Würde man ein wertvolles Bild anstelle von Geld als Äquivalent für die Vermögensverfügung liquidieren, ist unschwer zu erkennen, dass so vielleicht Schwarzgeld gewaschen werden kann, aber keine der im Zins beschriebenen Wirtschaftsprozesse in Gang käme. Das Gemälde müsste schon zu Geld gemacht werden, um eine Geldwirtschaft auszulösen. Konstitutiv für eine Geldwirtschaft, und man kann einschränkend sogar sagen, für Geld, sind also Eigentum und dessen Verfügung, der sich verschiedenste Arten der wirtschaftlichen Verwendung anschließen. Die Vermögensverfügung auf seiten des Schuldners die im Zins ihren geldwerten Ausdruck findet und im Zinssatz innerhalb einer Zeiteinheit, der Laufzeit angegeben ist, stellt also eine Gegenverfügung des Gläubigers gegenüber dem Vermögen des Schuldners dar. Diese Gegenverfügung kann ein fester Wert je Zeiteinheit oder ein dynamischer sein.

In diesem Gläubiger-Schuldner-Kontrakt sehen wir keinerlei Rendite, Reinerlös oder Profit am Werke. Davon steht nie etwas in Kreditverträgen. Um so erstaunlicher war, dass die Ökonomik in allen ihren Berechnungen den Profit als ein gegebenes Faktum zur Zinsberechnung miteinbezieht. Natürlich will jeder, der einen Kredit aufgenommen hat, damit Profit erzielen. Am besten soviel, dass er die Zinsen zurückzahlen kann und noch etwas an Gewinn bei ihm bleibt, sonst macht ja die ganze Mühe keinen Sinn. Dann aber gleich davon zu schließen, dass dieser Wunsch den Sinn des Zinses ausmacht, ist vorschnell und kurz gesprungen. Rein rechtlich gesehen ist der Sinn des Zinses der geldwerte Ausdruck einer Vermögensminderung, die stets mit der Vermögensverfügung verbunden ist. Die Vermögensminderung oder wie wir vormals sagten, die Belastung resp. Blockierung eines Privatvermögens oder eines Teils davon gilt ja vice versa, auf seiten des Gläubigers wie auf seiten des Schuldners.

Im Zins wird also nicht eine wirtschaftliche Tätigkeit dokumentiert, eine Transformation zu höherer Güterwertigkeit, die dann einen Gewinn ermöglicht, an dem der Gläubiger nach seinem Verzicht auf entsprechende Güternutzung kompensatorisch partizipiert. Dies macht auch wenig Sinn, es sei denn, man schreibt diese Vorstellung eines abgeleiteten Profiteinkommens als letzten Beweggrund wirtschaftlichen Handelns im Persönlichkeitshaushalt des Wirtschaftshandlenden selbst fest. Dann können Neoklassik wie Klassik beidermaßen davon ausgehen, dass die Motivation wirtschaftlichen Handelns ein Profitstreben aus dem Besitz von Produktionsmitteln ist. Profit kann aber nur dann herauskommen, wenn der Industriekapitalist (Marx) zum Erwerb seiner Produktionsmittel beim Geldkapitalisten (Ricardo) um Kredit nachfragt und dann, um den Zins für den Kredit zu begleichen, eine Profit erwirtschaftet, der aus der Differenz zwischen den, heute würde man sagen, Mindestlöhnen oder Reproduktionslöhnen und den am Markt erzielten Verkaufserlösen sich errechnet. Diese Vorstellung gilt sowohl für die einfache wie die erweiterte Reproduktion und beinhaltet unschwer zu erkennen ein Herrschaftsverhältnis zwischen Arbeit und Kapital.

Ausdruck dieses „dialektischen“ Herrschaftsverhältnisses ist sowohl die Vorstellung vom Kapitalisten als dem Eigentümer aller Produktionsmittel wie vom Arbeiter als ausgebeuteten, vermögenslosen Knecht. Akkumuliert sitzt der Kapitalist auf einem, durch fortwährenden Profit aufgehäuften Berg von Geld wie der Arbeiter in einer Armutsfalle, die nicht einmal mehr Schulden (bei Banken) erlaubt. So geisterte auch noch im letzten Jahrhundert die Vorstellung durch die Lande, dass Reichtum auch Reichtum an Schulden meint. Und die sich wie von selbst in der Zeit durch Inflation auch noch auflösen; schönes Märchen.

Weder die klassische noch die neoklassische Ökonomik haben hinter den Geldprofiten den Grund des Wirtschaftens gesehen. Dieser verborgene Grund leitete Keynes zu der Frage, wofür und womit der Zins denn zu zahlen ist? Und zwar selbst dann, wenn kein Profit die Zahlung erlaubt, kein Geld auf seiten des Kapitalisten vorhanden ist. Die Zinsforderung bleibt bestehen, solange der Fall der Insolvenz nicht eingetreten und diese abgewickelt wurde. So erkannte Keynes hinter dem Geld, dem Profit, eine immaterielle Prämie als Grundlage im Zins, seine Liquiditätsprämie, und hat damit bereits das Terrain des Geldes überschritten. Dort warteten aber ebensolche immateriellen Gründe für wirtschaftliches Handeln wie etwa Herrschafts-Knechtschaftsbeziehungen, menschliche Gier und Bedürfnisbefriedigung, die ihm aber schnell wenig taugten, die er aber mit seinem Annehmlichkeitsverzicht der Bargeldhaltung nicht wirklich überschritten hat.

Geldkapitalisten sitzen auf keiner Schatzkiste , aus der sie Kredite scheffeln zum Zwecke des Zinserwerbs. Keynes war noch ganz im Denken seiner Zeit verhaftet, dass ein Besitz von Geld Ziel wirtschaftlichen Handelns, dessen Zweck mithin dessen Mehrung ist, die nur dann erreicht werden könne, wenn eine Verzinsung von Geld über den Waren- und Gütertausch stattfindet. Alles hängt also am und strebt nach dem Gelde, das als Eigentumsgut sowohl als Ewigkeitsposition wie in seiner Nutzungseigenschaft verstanden wurde. Keynes hat gewissermaßen die Ewigkeitsposition des Geldes als Eigentumsgut entmaterialisiert, indem er die Aufgabe, den Verzicht auf deren Annehmlichkeit voraussetzte für eine erst im Zins wieder materialisierte Prämie für den Verzicht. Die konstitutive Vermögensfunktion sah er nicht.



Vom Geld zum Geld


Die moderne Ökonomie denkt wirtschaftliches Handeln vom Geld her. Die Richtung zum Geld hin wäre nicht nur weiter, sondern auch gründlicher. Dem Geld auf den Grund gehen kann zu einem besseren Verständnis führen, wie der Diskurs der Ökonomik ihren ‚Gegenstand‘, die Wirtschaft sieht. Und diese erweiterte Sichtweise ist die unverzichtbare Grundlage für eine neue Kritik der politischen Ökonomie. Wir haben von der Knappheit des Geldes in den monetärkeynesianistischen Ökonomiken gehandelt. Geldknappheit ist gewissermaßen ein Gegenbegriff zur Ressourcenknappheit und beide sind Komplementärbegriffe zum Preis und à la lounge zum Wertbegriff wie zum Waren- und Güter- sowie zum Marktbegriff.

Die Geldknappheit als Grenzbegriff ist die kanonische Voraussetzung für jede Preisberechnung. Wäre Geld in unbegrenzter Menge vorhanden, wären Preise unberechenbar, sie gingen gegen Null. Der Idealfall der Preisberechnung ist, kein Wunder, ein Markt, hier ein Angebot an Waren und Gütern im Gleichgewicht, um so leichter und präziser wird jede Art von Berechnung, also die Abbildung in einer mathematischen Gleichung, hier ein eindeutiger gleichgewichtiger Preis- und Mengen-Vektor.

So wurde im neoklassischen Preissystem „Geld bloße Recheneinheit“1. Aber als Recheneinheit allein bedient es ausschließlich die Logik eines simultanen Gleichgewichts, das meinte eine ökonomische Situation, in der auf allen Teilmärkten einer Volkswirtschaft, sowie den Waren- und Gütermärkten wie den Faktormärkten Gleichgewicht in dem Sinne vorliegt, dass das aggregierte Angebot dieses Teilmarktes genau mit der entsprechenden aggregierten Nachfrage übereinstimmt, also bildlich gesprochen ein Zustand vorliegt, der sich einstellte, wenn alle Kunden einer Bäckerei bis zum Abend eingekauft haben und keine einzige Schrippe mehr im Regal liegt. Dieser Zustand einer täglichen Markträumung liegt aber selten bzw. nie vor.

Simultane Nutzen- und Gewinnmaximierung ist nicht nur nie erreichbar, sondern dieses Denkmodell als solches hat schon kein simultanes Gleichgewicht zwischen Vorstellung und Wirklichkeit, es sei denn, man nimmt diese beiden Verhaltensmotivationen als ausschließlich und grundsätzlich an. Wie immer auch die Komplexität dieses Modells veranschlagt wird, sei es in der Berechnung von Tauschaktivitäten oder der Güterproduktion, stets wird die außerökonomische Motivation zum Störfaktor, wenn simultanes Gleichgewicht sich nicht einstellen will.
Die Reduktion der gestörten Komplexität des Modells auf die Unterscheidung zwischen zeitpunktbezogenen von intertemporalen Gleichgewichts- bzw. Entscheidungsmodellen2 bis hin zur Einbeziehung von Zukunftsmärkten, die auf der Basis von kontingenten Verträgen ins Kalkül gezogen werden, folgen alle dieser außerökonomischen Motivation als Voraussetzung.

Diese außerökonomische Motivation geht zurück auf die Metapher der „unsichtbaren Hand“ bei A. Smith, die das Marktsystem über den Eigennutz der Wirtschaftssubjekte langfristig in eine Gleichgewichtssituation3 bringen solle. Bedürfnisbefriedigung im Konsum und Gewinnstreben sind also die klassischen Gravitationszentren des Wirtschaftens und Geld deren einzige Berechnungs- und Verwirklichungsform. So verstanden ist Geld Mittel zum Zweck und der Preis (am besten bei vollständigem Wettbewerb) das berechenbare Bindeglied zwischen Angebot und Nachfrage, wenn über Güter, wie in unserem Beispiel die Schrippen, aggregiert wird.

Nun weiß aber jeder junge Unternehmer einer Kapitalgesellschaft nach den ersten beiden Gesprächen mit einem guten Steuerberater/in, dass neben der Aggregation von Angebot und Nachfrage in der Unternehmensbilanz ein ganzes Dutzend anderer Vektorgrößen schlummer und berücksichtigt werden wollen, soll eine Insolvenz, also eine Überschuldung des Unternehmens vermieden werden. Selbst in einer Einnahme-Überschuss-Rechnung ist die „Aggregation“ der Unternehmenstätigkeiten zwar stets intermediär, aber, trotz wesentlich weniger Vektoren mit größter Sorgfalt zu beachten. Geld in seiner liquiden Form als Kassenbestand, spielt dabei eine höchst untergeordnete Rolle.

Viel mehr spielen die Verbindlichkeiten des Unternehmens auf der Bühne des unternehmerischen Handelns und Kalkulierens die Hauptrollen und darunter befinden sich nun mal auch die Zinsen, die gewissermaßen den Chor der Tragödie singen. Dabei ist wenig bis kaum die Höhe des Zinssatzes eine der Oberstimmen, sondern n.a. die Laufzeit des Kontraktes und damit die Duration. Die Einschätzung bzw. die bilanzielle Bewertung der Zahlungsfähigkeit eines Unternehmens wird andererseits auch nicht allein durch die Höhe der Forderungen gegenüber Verbindlichkeiten an einem Stichtag bemessen. Die rückblickende Bewertung der Bonität und die seriöse Zahlungsbereitschaft der Kunden spielt auch hier n.a. eine wichtige Rolle. Mit einer restriktiv-dezisionistischen Preismachtphantasie kommt man eher selten einer drohenden Insolvenz zuvor.

Simultane Gleichgewichtsmodelle kranken daran, dass sie Geld nicht nur als Mittel zum Zweck und Recheneinheit sehen, sondern daran, dass in ihren Modellen die Vorstellung einer Dominanz der Geldsphäre gegenüber der Gütersphäre versteckt ist. Wenn ein Wirt z.B. feststellt, dass der Bierkonsum drohend zurückgeht, kommt er nicht selten auf die Idee, die Preise für das Kaltgetränk zu erhöhen und damit, konträr zum Ziel, öfter, schneller und näher zur Pleite.
Dem Wirt hilft in dieser Situation mit großer Wahrscheinlichkeit auch nicht die von L. Walras vorgestellte Tâtonnement-Analyse4, nach der, einem Auktionator gleich, der Wirt durch Versuch und Irrtum sein gestörtes System versucht, wieder ins Gleichgewicht zu bringen. Da wird er den Angebotsüberhang an Bier so oft und so viel er will durch unterschiedlichste Preisauszeichnungen und auch mit kreativer Gestaltungsakribie nicht mehr in einen Gleichgewichtsvektor aggregieren, wenn die Karawane an seiner Eckkneipe vorbei auf einem anderen Trend der gastwirtschaftlichen Abendgestaltung von dannen zieht.

Ein anderer, viel zu wenig beachteter Aspekt aller Gleichgewichtsmodelle ist der Aspekt der Information. Simultanes Gleichgewicht bedeutet im Kern aller Entscheidungsprozesse, gleich welcher Komplexität, dass alle Wirtschaftssubjekte bzw. alle jene, die an den jeweiligen Wirtschaftsaktivitäten beteiligt sind, über weitgehend vollständige und aktuelle Informationen verfügen und sich dann an die herrschenden Dateninhalte hinsichtlich ihres Wirtschaftsplans auch halten. Optimale Anpassung an Daten und strikt datenbasierte Entscheidungsprozesse sind dann im Kern auch die verbindenen Schnittstellen zwischen Mikro- und Makroökonomie und führten im Theorieverlauf zu einer neuen Makroökonomik, die auf der Grundlage dynamisch-stochastischer, allgemeiner Gleichgewichtsmodelle (sog. DSGE-Modelle, Dynamic Stochastic General Equilibrium Models) vorgestellt wurden – wir werden an einer anderen Stelle darauf zurückkommen.

Die montärkeynesianistische Schlussfolgerung aus der Vorstellung allseits aggregierter Knappheitsressourcen legt natürlich nahe, dass, wenn es um Geld geht, dieses im Wettberwerb um die Ressource mit einem Zins belegt wird, der letztlich den Mangel restriktiv-dezisionistisch steuert. Der große Steuermann, der Vektorenmanager oder Auktionator ist, wie auch jede andere Clearing- oder Schiedsgerichtsstelle ein Verfahren, das im Idealfall die Wirtschaftssubjekte solange zur wechselseitigen Anpassung führt, bis alle Wünsche und Motivationen mit einander kompatibel sind und dann tatsächlich auch vollzogen werden können; allein die Angelegenheit hat Längen.

Nun soll niemand meinen, dieses Modell hätte nichts anderes als Modellcharakter, mitnichten. Sein Modellcharakter spielt die große und entscheidende, leider fatale Rolle in der Wirklichkeit. Eine ganze Weile galt der Finanzmarkt und der darauf stattfindende Börsenhandel als das Paradebeispiel für simultane Marktgleichgewichte bei vollständiger Preistransparenz und vollständigem Wettbewerb. Der Börsenhandel erschien als der große Auktionator und Garant geräumter Märkte.

Was dann aber unter „False Trading“ firmierte war nichts weniger denn eine Wiederlegung der Totalanalyse eines langfristig in einer Gleichgewichtssituation mündenden Wirtschaft, die aber nach wie vor in den Köpfen und Entscheidungen vor allem der politischen Mandatsträger herumgeistert. Denn auch ohne die Existenz eines vermittelnden Auktionators, der die Existenz des „False Trading“ auf den Märkten ja ausschloss, blieb dieses Wunschbild gleichgewichtiger Märkte konstitutiv.

Die Totalanalyse intendiert im Grunde nichts anderes, als die Bedingungen herauszuarbeiten, unter denen dieses Wunschbild tatsächlich der Fall ist. Dabei geht es zum Ersten um die Frage, ob unter den jeweils gemachten Voraussetzungen ein solches Gleichgewicht überhaupt existiert. Zum Zweiten wird geprüft, ob das so ermittelte Gleichgewicht eindeutig ist. Im Hinblick auf beide Fragen zeigt sich, dass die Bedingungen, unter denen ein eindeutiger, gleichgewichtiger Preis- und Mengen-Vektor existiert, sehr restriktiv sind und im umgekehrten Fall eines false trading um so mehr die defizitären Bedingungen ersetzt werden müssen.

Wir haben vorher schon gesehen, dass es in allen Fällen wirtschaftlichen Handels , also auch im Anpassungsprozess von Angebot und Nachfrage, im Tâtonnement der Preisfindung wie auch im Recontracting von Vertragsanpassungen zu Vermögensumverteilungen kommt, die dann unter Makrtbedingungen auch tatsächlich eintreten. Das heißt aber, dass es keine Rückkehr zu einem ursprünglichen Zustand geben kann. Das (Wieder-) Erreichen des Gleichgewichtszustandes ist selbst für den Fall fraglich, in dem die Existenz- und die Eindeutigkeitsfrage bejaht werden können. Im Ergebnis führt dies nur zu zusätzlichen restriktiven Bedingungen, die den Prozess der Vermögensverschiebungen und -umverteilungen neu zu aggregieren versuchen.



Das Geld ist weg


Dass, was wir für Geld halten, hat mit Geld eigentlich kaum noch etwas zu tun. Es ist schön, ein paar Münzen und Scheine in der Tasche zu haben und damit seine Pizza direkt im Lokal bezahlen zu können, aber mehr als ein Relikt und eine romantische Angelegenheit ist es nicht mehr. Keynes fand in Steuart und Hawtrey5 die für seine Theorie vom Geld entscheidende Unterscheidung zwischen Rechengeld und eigentlichem, dem Bargeld; money of account and money proper. Und Keynes erkannte in der Analayse von Hawtrey6, im „money must be defined in terms of debts,“ den eigentlichen Motor seiner Geldtheorie, nämlich die Ableitung von Geld aus dem Gläubiger-Schuldner-Contracting.

Contracting i.d.S. ist also dem Geld vorläufig, dieses ist Ausdruck von jenem. Money proper kann also nicht Grundlage einer Geldtheorie sein, money of account aber um so besser. Keynes sah das Rechengeld als das primäre Konzept seiner Geldtheorie an, weil es aus Schuld-Contracting – wir nennen das der Klarheit halber nun Eigentums-Contracting – unmittelbar hervorgeht. Geld existiert also nur in Beziehung zu diesem Rechen- oder Buchgeld.

Nun muss man bedenken, dass die Unterscheidung von Schuldwährung und Zahlungswährung den im angelsächsischen Rechtskreis gebräuchlichen Begriffen money of account und money of payment einer Zeit geschuldet ist, die ihre Begriffsdifferenzierung noch ohne das weltweite System der Giralbanken machen musste. Und das hat einiges verändert und auf den Kopf gestellt.

Nimmt man heute eine arme Seele in der Ausbildung zum Finanzwirt, Steuerfachmann oder Wirtschaftsprüfer, dann lernt sie, dass money proper und money of account, also beide „Währungen“ nichts anderes sind als Betrachtungsweisen derselben Sache.
Bilanziert man etwa ein Haus im Wert von 1 Mio.€, dann ist das money of account. Es sei denn, man bilanziert diese bilanzielle Bewertung zum Zeitpunkt des Verkaufs des Hauses an einen Käufer, dann fließt sofort temporäres money proper als Forderung, Bank oder Kasse als bilanzvorschriftliches money of account in die Bilanz wieder ein. Dies verwirrt so sehr, weil ein Eigentums-Contracting in dieser Höhe selten bar abgewickelt wird, sondern über eine bargeldlose Buchung von Konto zu Konto. Money proper im Sinne von Bargeld ist da keins, auch nicht unterwegs.

Das Buchgeld liegt heute nicht mehr als Satz in einem Buch wie früher einmal vor, sondern in elektronischer Form als Datensatz innerhalb einer Datenbank. Der Transfer wird heute noch überwiegend durch Zahlungsinstrumente wie Überweisung, Scheck, Lastschrift, Wechsel, Bankkarten oder Kreditkarten durchgeführt, die zwischen den einzelnen Giral- oder Geschäftsbanken akzeptiert sind.
Bei einem Transfer weist der Schuldner seine kontoführende Bank an, einen bestimmten Geldbetrag auf ein bestimmtes Konto des Gläubigers bei einer bestimmten Bank bargeldlos zu übertragen. Hierdurch erfüllt der Schuldner gegenüber seinem Gläubiger seine Geldschuld, ohne dass Bargeld zum Einsatz gekommen ist. Das ist gewissermaßen der sichtbare Anteil des Geschäfts.
Der unsichtbare ist, wie bereits mehrfach gesagt, eine Eigentumsverfügung, von der wir die Vermögensminderung sehen, das Vermögens-Contracting selbst aber nicht.

Noch unsichtbarer ist Geld, schauen wir auf die kontoführenden Banken selbst. Banken haben Bestände an Zentralbankgeld und andere Aktiva in ihren Bilanzen. Kommt ein Finanzinstitut wie 2008 im Falle der Lehman Brothers in der Öffentlichkeit in den Ruf, in Zahlungsschwierigkeiten zu sein, entsteht schnell ein sog. Bank Run. Dann stehen schlangenweise Privatkunden vor den Schalterhallen, um ihre Sichteinlagen bzw. Buchgelder oder money of account, wie immer man das nennen will, in bar zu tauschen, also als money proper abzuheben.
Spätestens dann gerät das Institut vollends in Liquiditätsprobleme, weil ihre Bargeldbestände nicht ausreichen. Wir sahen, dass es kaum möglich ist, in kürzester Zeit andere Aktiva von der Giralbank in Zentralbankgeld umzuwandeln. Kann sich das Institut nun auch nicht mehr Zentralbankgeld leihen, sind ihre Ressourcen bereits ausgeschöpft. Und alles geschieht, weil money of account zu money proper getauscht werden soll. Und dieser Tausch stellt eine Liquidierung von Eigentum dar, das lediglich als eine Anspruch besteht und nicht als money proper.

Dann im Falle der Bankpleite, fällt am Rande wieder auf, dass Geld, ob es nun sichtbar oder unsichtbar ist, gar nicht das eigentliche Maß der Dinge ist, weder als money of account, money of payment noch als money proper. Die Haftungsfrage, die untrennbar mit der Eigentumsfrage verknüpft ist, zeigt nun ihr historisch entwickeltes Doppelgesicht. Die beiden Giralbanken, die den Transfer von Buchgeldern zwischen den Geschäftspartnern abwickeln, sind weder tatsächlich Gläubiger oder Schuldner innerhalb dieses Transfers. Sie ersetzen auch intermediär nicht das Eigentums-Contracting. Geht eine der Giralbanken pleite, reißt sie den jeweiligen Geschäftspartner aus dem Eigentums-Contracting mit in den Abgrund, obwohl dieser wahrscheinlich von sich aus betrachtet seine Verpflichtung aus dem Geschäft hätte einlösen können.

Was also Keynes nicht hatte sehen oder ahnen können, ist, dass seit den 1970er Jahren sich Geldgeschäfte von der Realwirtschaft und damit vom Eigentums-Contracting zunehmend schneller entkoppelt haben. Und dass bei dieser Entkopplung ein neuer Markt entstanden ist, auf dem scheinbar kein Eigentums-Contracting mehr stattfindet bzw. dem kein Eigentumsfundament mehr unterliegt. Hawtreys berühmte Formel, dass nämlich, wie eingangs erwähnt, Geld nicht das Schuldenmachen ermöglicht, sondern umgekehrt, dass im Schuldenmachen selbst der Ursprung der damaligen beiden Seiten des Geldes, money of account und money proper liegt, bekommt eine Wendung, die durchaus in Keynes den Namen ihres Mißverständnisse erhält.

Noch bevor sich Geldgeschäfte und Realwirtschaft im Interbankensystem entkoppeln, verschwindet schon bei Keynes die Grundlegung der Geldwirtschaft aus dem Eigentums-Contracting in eine unheilvolle Verbindung von Geldwirtschaft und Tauschwirtschaft als Inbegriff aller Realwirtschaften.

Keynes und die Folgen sind, dass diese entkoppelte Wirtschaft von Eigentum und Verantwortung nun zum offiziellen Wissenschaftsdiskurses wird, der die Entkoppelung und somit auch der Verschleierung der tatsächlichen Vorgänge im Wirtschaftsgeschehen massiv Vorschub leistet. Banken im Verein mit Staaten rasen im gleichen Tempo zusammen oder auch getrennt auf immer größere Schuldenberg zu, die weder Banken noch Staaten, und hier meinen wir die politisch Handelnden, verantworten.

So, ohne jede Form von Verantwortung, verschuldenen sich Banken und Staaten immer mehr und schneller zur Refinanzierung ihrer privatwirtschaftlichen wie politischen „Projekte“ und können ihre Schuldenberge nur noch dadurch einigermaßen im Griff halten, insofern sie, wie im Falle der Politik, große Teile zukünftiger Brutto-Inlands-Produkte verpfänden, wofür sie weder ein Mandat, weder eine Verantwortung noch eine wie auch immer geeignete Expertise halten. Im Falle der Giral- oder Geschäftsbanken und, wie man sieht, auch nunmehr der Notenbanken entdecken wir einzig Züge von False Trading bzw. einer fatalen Variante der Markträumung, den Räumungsverkauf gesellschaftlichen Vermögens bzw. Eigentums.

Würde man Banken und die Finanzpolitik der westlichen Industriestaaten einer Cashflow Analyse7 unterziehen, dann müssten beide unter Gesichtspunkten der Berechnung des gesamten Cashflows sofort ihre „Geschäftstätigkeiten“ einstellen. Wir weisen aber mit Nachdruck darauf hin, dass es zuerst einen Diskurswechsel und nicht einen Strukturwechsel der Wirtschaft gegeben hat. Der Strukturwandel hat seinen Anfang in einer veränderten Sichtweise auf die Ökonomie, die mit Keynes ihren noch klügsten Vertreter fand. Dort liegen die Ursachen, dass wir heute nurmehr über Ströme sprechen, wenn es um Wirtschaft geht. Ströme von Waren begleitet von Strömen von Geld8. Und dass wir heute so sprechen, hat darin seinen Anfang, dass der wissenschaftliche Diskurs der Ökonomik die Transformation vom Eigentums-Contraction zum Geld durch die Transformation vom Geld zum Warentausch vollzogen hat.



Anmerkungen:

1 Vgl. W. Stützel, Volkswirtschaftliche Saldenmechanik: Ein Beitrag zur Geldtheorie (1958), Tübingen, 1978, Kap. 4, S. 192

2 Intertemporale Entscheidungen sind durch eine Art zwischenzeitlichen Kompromiss gekennzeichnet. Wenn man heute etwas aufgibt, möchte man in der Zukunft für den Verlust entschädigt werden. Wenn ein Unternehmen zum Beispiel in der Gegenwart ein unrentables Produkt aus dem Sortiment nimmt, kann es dadurch in der Zukunft die frei gewordenen Kapazitäten auf andere Produkte übertragen und damit insgesamt eine Gewinnsteigerung erzielen. (Wikipedia)

3 In diesem Zusammenhang spricht man in der Ökonomik von einem "klassisches Gravitationszentrum".

4 Walras, Éléments d'économie politique pure ou théorie de la richesse sociale. Lausanne: Corbaz et al. 1874 (sog. Allgemeine Gleichgewichtstheorie). Formal bewiesen wurde diese Vermutung erst später durch Abraham Wald und im Rahmen des Arrow-Debreu-Gleichgewichtsmodells (auch: Arrow-Debreu-McKenzie-Modell).
Siehe auch: Walras, Théorie de la monnaie (Geldtheorie)

5 R.G. Hawtrey, Währung und Kredit, Jena 1926, Kap. 1, S.2

6 ders. Credit, in Encyklopedia of the Social Sciences, Volume III, New York: Macmillan, 1930, S. 545-550/545.

7 Cashflow: Überschuss der Einzahlungen über die Auszahlungen einer Unternehmung, der je nach Abgrenzung der betrachteten Zahlungsgrößen unterschiedlich ermittelt wird. Der Net Operating Cashflow bezieht sich nur auf Zahlungen aus der Produktions- und Absatztätigkeit der Unternehmung, der gesamte Cashflow berücksichtigt zusätzlich Zahlungen aus Finanzierungs-, Investitions- und Ausschüttungsentscheidungen.
I. Begriff/Arten:
1. Begriff: Finanzielle Stromgröße, die den in einer Periode erfolgswirksam erwirtschafteten Zahlungsmittelüberschuss angeben soll. Er wird abgeleitet aus den Daten des Jahresabschlusses, bes. der Gewinn- und Verlustrechnung (GuV). Der Cashflow ist Ausdruck (Indikator) der Innenfinanzierungskraft eines Unternehmens (Innenfinanzierung).
2. Arten: a) Net Operating Cashflow: misst den Einzahlungsüberschuss aus den Produktions- und Absatztätigkeiten der Periode;
b) gesamter Cashflow: erfasst auch die durch Finanzierungsentscheidungen sowie durch Investitions- und Ausschüttungsentscheidungen ausgelösten Ein- und Auszahlungen. (Gabler)

8 Cashflow: Überschuss der Einzahlungen über die Auszahlungen einer Unternehmung, der je nach Abgrenzung der betrachteten Zahlungsgrößen unterschiedlich ermittelt wird. Der Net Operating Auf den Zusammenhang von Waren,- Geld- und Migrationsströmen kommen wir später zu sprechen.



Foto: monika m. seibel www.photographie-web.de



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