Kapitalkonzentration – Monopolisierung
Franz Rieder • Absolute und relative Konzentration, Konzentration und Konkurrenz, Krisen und Selbsterneuerungen, ... und Größen (nicht lektorierter Rohentwurf) (Last Update: 20.05.2019)
Marx geht, modern formuliert, von einer inhärenten Instabilität marktwirtschaftlicher Systeme aus. Folgt man seinen Bestimmung der Kapital- und der Arbeitsmarktprozesse, dann drängt sich die These auf, dass sich marktwirtschaftliche System von der freien, vollständigen Konkurrenz zu monopolkapitalistischen Systemen hin entwickeln und sich im Prozess dieser Entwicklung die Monopole mit dem Staat, mit den institutionellen Trägern staatlicher Macht mehr oder weniger eng verschmelzen. Dem ist in dieser Allgemeinheit aus historisch-empirischer Sicht nichts hinzu zu fügen.
Was Staatsmonopolismus genannt wurde und von Theoretikern der kommunistischen, teils auch der sozialistischen bzw. sozialdemokratischen Ideologie Ende des 18. Jahrhunderts bis in die 70er Jahre des 19. in Europa gesehen und propagiert wurde, war ein Versuch, die Beziehung zwischen Industrie und Politik zu verstehen, die zwei grausame Weltkriege möglich gemacht hatte.
Der sog. industriell-militärische Komplex hat in der Folge der beiden Weltkriege dann kurz nach dem Zusammenbruch Nazi-Deutschlands die große Weltwirtschaftskrise nach sich gezogen und besonders bei deutschen Sozialdemokraten eine frühe Euphorie entfacht, in der sie den Untergang des Kapitalismus‘ und den Beginn einer neuen, nicht privat-kapitalistischen Produktionsweise herauf ziehen sahen.
Zu jener Zeit galt es als ausgemacht, dass die fatale Entwicklung in den kapitalistischen Ländern weniger das Ergebnis der fundamentalen, ökonomischen Gesetzes des Marktes ist, also auch nicht allein mehr aus dem Fall der Profitrate resultiert, sondern nunmehr Ergebnis staatlicher Regulierungspolitik ist, die den Großunternehmen ihre immensen Monopolprofite garantiert, die also nicht mehr durch die im Wettbewerb zueinander stehenden Kapitale realisert wurden.
Was hier noch unwissenschaftliche Vermutung, abgeleitet aus alltäglicher Erfahrung, war, wurde im Verlaufe der folgenden Jahre durch statistische Meßverfahren operationalisiert. Wie in jedem Meßverfahren geht es auch hier nur um die konzentrationsrelevanten Tatbestände, die überhaupt quantifizierend erfassbar und in einem numerischen Ausdruck zu verallgemeinern sind.
In diese
Meßverfahren eingedacht sind zwei grundsätzliche Annahmen.
Einmal, dass der Wettbewerb um so schwächer wird, je geringer
die Zahl der Marktteilnehmer wird. In diesem Fall spricht die
Ökonomik von absoluter Unternehmenskonzentration.
Zum
anderen, dass der Wettbewerb um so schwächer wird, je
ungleichmäßiger die Verteilung des Gesamtmerkmalsbetrages
auf die Marktteilnehmer wird; relative Konzentration oder Disparität
genannt. Ob man nun den absoluten oder den relativen
Konzentationsgrad einer Volkswirtschaft betrachtet ist dabei immer
mit zu denken, dass dieser Wert eben der umgekehrte Wert bzw. die
umgekehrte Entwicklung eines vollständigen Wettbewerbs
darstellt, der aber selbst quantitativ nicht messbar ist.
Bei der Konzentration von Kapital handelt es sich bei Marx um den schlichten Vorgang des quantifizierbar wachsenden Einzelkapitals, also um eine absolute Kapitalkonzentration. Das Kapitalwachstum besteht durch Akkumulation von Profiten, d.h. in der Rückverwandlung von auf dem Markt realisiertem Mehrwert aus Arbeit in Produktionskapital.
Dieser Akkumulationsprozess aber hat seine Grenzen. Aus gesamtökonomischer Sicht, die notwendigerweise mit einem Zeitfaktor, einem Stichtag oder eine Periode einhergeht, kann nicht mehr Profit akkumuliert werden, als in einer bestimmten Periode vor der Messung produziert und rückverwandelt wurde. Zum zweiten und damit verbunden begrenzt jedes Einzelkapital im Wettbewerb untereinander um den Profit auch die Akkumulationsfähigkeit der Einzelkapitale, was sich im realtiven Kapitalkonzentrationsgrad niederschlägt.
Konzentration – Konkurrenz
Die Grenzen absoluter und relativer Kapitalkonzentration bestehen prinzipiell für alle Marktteilnehmer und haben per se noch nichts mit politischen Einflüssen zu tun. Es sind, wie schon Marx herausfand, zunächst Phänomene der Kapitalakkumulation auf den jeweiligen Märkten, auf den Unternehmen im Wettbewerb unterwegs sind. Und Marx reflektierte auch den Unterschied zwischen Konzentration und Zentralisation, die keine Gegensätze bilden, sondern qualitative Übergänge innerhalb eines Kapitalakkumulationspozesses.
Geht
es bei der Konzentration um die absolute Form der
Kapitalakkumulation, so im Fall der Zentralisation um die relative.
Anders gesagt, bei der Zentralisation von Kapital geht es um
Kapitalzusammenschlüsse wie wir sie durch Übernahmen,
Fusionen, Anteilskäufe etc. kennen. Hier finden also Kapitale
zusammen und heben damit ihre individuelle Selbständigkeit
auf.
Gleichzeitig sind damit auch die Grenzen der
Kapitalakkumulation aufgehoben, mindest verschoben, und die relative
Wettbewerbssituation hat sich, rein quantitativ betrachtet, für
die zusammengeschlossenen Unternehmen verbessert. Wir erinnern die
enormen Schwierigkeiten bei Unternehmensfusionen und die heutigen
Finanzmarktpräferenzen, die mit diesem Akkumulationsprozess kaum
mehr dacore gehen – und kommen etwas später darauf zurück.
Die Frage, um die es bei der Zentralisierung von Kapitalen geht, ist vielschichtig, wie wir sehen werden. Eine Schicht wird in Form einer „Phasentheorie“ reflektiert, bei der es um historische Formen der Zentralisierung geht. Zentralisierung folgt dort auf die Phase der Konzentration als frühe Phase der Kapitalakkumulation. Dabei wird einmal auf das interne Unternehmenswachstum in Form des akkumulierten Kapitals fokussiert um sich dann in einer Phase starker Zentralisation historisch als Kartelle und in angelsächsischen Ländern als Trusts zu verwirklichen.
Die Bildung von Kartellen sind schon Krisenmechanismen, denn sie erscheinen vor allem in Phasen von Überkapazitäten und Absatzschwierigkeiten. Wenn man heute von Angebots- bzw. Nachfrageschocks1 spricht, dann reflektieren beide Termini ebenso eine jeweilige Krisensituation wie etwa die Ölkrise in den 70er Jahren des letzten Jahrhunderts, oder den massiven Angebotsschock der Ölpreisverteuerung von 50 US-Dollar je Barrel im Januar 2007 auf fast 150 US-Dollar im Juli 2008.
Betrachtet man die Entwicklung um die Kartelle herum, dann kann man feststellen, dass besonders in Zeiten konjunktureller Schwäche Kartelle selbst wiederum in Krisen gerieten, in denen sich die stärkeren Kartell-Mitglieder auf Kosten der schwächeren gerne gerettet haben. Kartelle sind also nicht unabhängig von konjunkturellen Zyklen, wobei in hochindustrialisierten Staaten Kartelle nur noch in Teilen den ursprünglichen Katellierungsprozessen und -absichten entsprechen.
Das absolute wie relative Wachstum individueller Kapitale steht dabei nicht mehr allein und direkt im Vordergrund. Auch die Vielzahl der Kartell-Formen, die es heute gibt, manifestiert einen Atomisierungsvorgang bei der Kartellierung, der um so wichtiger geworden ist, als die Überwachungsinstitutionen in ihrer Arbeit erfolgreicher wurden.
Viele Vereinbarungen zwischen Unternehmen, aufeinander abgestimmte Verhaltensweisen, informelle Treffen unter den Akteuren und sogar im Verein mit politischen Institutionen mit den gleichen Absichten, Wettbewerb zu verhindern, einzuschränken oder gar zu verfälschen, wie wir gerade mit der sog. Schummel-Software in der Automobilbranche erfahren durften, sind schwer zu ermitteln und juristisch über das Kartellrecht zu ahnden.
Was man aber festhalten darf, ist, dass seit Anfang der 70er Jahre das absolute Wachstum durch Kapitalakkumulation fast vollständig durch relatives Wachstum in Form von Fusionen, auch Teilfusionen in Form von Joint-ventures, abgelöst worden ist und damit die Bedeutung der Unternehmensbewertungen als Grundlage für Aktientausch und andere Formen der Refinanzierung über die börsennotierten Finanzmechanismen stark zugewonnen hat.
Ein Ergebnis der historischen Betrachtung ist sicherlich, dass in Phasen starker Konjunktur das Wachstum der absoluten Kapitalakkumulation in der Vergangenheit vorherrschte, während in konjunkturell schwachen Phasen Zentralisierungsprozesse, zudem noch eine Marktbereinigung hinzutritt, die mit jeder Insolvenz eines Unternehmens den Konzentrationsgrad erhöht.
Krisen – Selbsterneuerungen
Durch Konzentrationsprozesse hat sich die Kapitalseite der Marktwirtschaft über Konjunkturzyklen hinwegsetzen können, auch über schwere Konjunkturkrisen. Was in der marxistischen Denktradition eine Schwäche bzw. innere Krise des Kapitals im Akkumulationsprozess war, erwies sich als falsch bestimmt; im Gegenteil.
Wenn
von Krisen oder einer Krisentheorie gesprochen wird, dann geht die
Blickrichtung immer auf die Stellung eines Unternehmens auf seinem
Markt bzw. seinen Märkten und die Auswirkungen des Marktes auf
die beiden wesentlichen Unternehmenskennzahlen, das Kapital und die
Arbeit. Und eine interne Krise des Kapitals ist immer gewichtiger für
eine gesamtwirtschaftliche Beurteilung, ob ein Wirtschaftssystem sich
als fähig, als effizient und somit als „überlebensfähig“
erweist, oder nicht.
Ob man diese etwas flache These so stehen
lassen kann und was sie impliziert, ist nach wie vor Gegenstand
unserer Ausführungen.
Die relative Kapitalakkumulation hat gezeigt, dass Unternehmen sich selbst in schweren Krisen aus diesen heraus selbst erneuern können. Wir können festhalten, dass dies um so mehr und besser gelingt, wenn Unternehmen bereits einen hohen Grad an oligopolen Strukten haben oder in der Krise durch Fusionen errreichen. Wenn diese Großunternehmen einen hohen Grad an Produkt- und Dienstleistungsdiversifikation aufweisen – wir haben eben diesen Prozess unter Berücksichtigung aktueller Finanzmarkttendenzen problematisert – und damit auch auf verschiedenen Märkten aktiv sind. Wenn diese Marktausweitung in Richtung Weltmärkte geht, also, modern gesprochen, in Richtung Globalisierung weist und schließlich, wenn diese Unternehmen auf den für sie wichtigen Finanzmärkten sowohl bei der Refinanzierung im Anleihesektor wie auch im Sektor Investmentbanking aktiv sind.
Kartell- bzw. Oligopolbildung, Marktführerschaft, Diversifikation, Expansion und Kapitalisierung waren bislang die entscheidenden Krisenabwehr- und Erneuerungsmechanismen für Unternehmen in entwickelten Marktwirtschaften und zeigten den zur These vom tendenziellen Fall der Profitrate gegenläufigen Effekt.
Geht man der nächsten entscheidenen Frage nach: wie gestaltet sich die Preissetzung auf von Monopolen bzw. Oligopolen beherrschten Märkten, dann findet man überraschenderweise, dass die Preisfindung hier einer strukturellen Ähnlichkeit mit der Fabelwelt vom vollständigen Markt kaum entbehrt. Hier wie dort ist in der Preissetzung wenig Spielraum. Hier wie dort sind Kunde und Anbieter beiderseits „Preisnehmer“ nach der neoklassischen Theorie, die aber, entgegen ihrer eigenen Annahmen, mit der Bildung von Monopolen und Oligopolen eine aktive Preissetzung durch die Unternhemen in Verbindung bringt.
Demnach fände bei Oligopolen kein „freier“ Wettbewerb mehr statt, könnten Preise auf den Märkten nach gusto bestimmt werden und letztlich, von der Kapitalseite her betrachtet, die herrlichsten Kapitalrenditen erzielt werden. Das aber hat sich so als Irrtum herausgestellt und die in der Nachfolge von Marx beharrlich behauptete These marxistischer Öknonomen, wonach Monopolpreise dauerhaft über den entsprechenden Marktpreisen, die Monopolprofitraten dann auch deutlich oberhalb der durchschnittlichen Profitrate liegen, gehört mit zum Irrtum und seinen theoretischen Folgen.
Anders als bei
solchen Ansätzen, die von einer Marktstellung eines Unternehmens
bei der Preisfindung bzw. für den Prozess der Preisfindung
ausgehen, brachte Keynes einen gänzlich anderen
Ansatz ins Spiel. Demnach gilt die Annahme, dass die Preissetzung
sowohl für Oligopole wie auch für alle anderen Unternehmen
sich an den Produktionskosten
orientiert1.
Eine
der zentralen Schwierigkeiten bei der Theorie der Preisfindung ist
die Übertragung von Vorstellungen einzelwirtschaftlicher
Preisbildung auf die Gesamtpreisbilungsprozesse, also der
theoretische Transfer von der Mikro- zur Makroökonomie. Ein
zentraler Terminus hier ist der Mark-upPreis,
der die Vorstellung eines Aufschlagsatzes auf die Lohnstückkosten
transportiert und so die Hypothese der Aufschlagspreisbildung
operationalisiert. Dann ergibt sich das Angebotspreisniveau aus einer
Gewinnkomponente, den Lohnstückkosten und allen anderen,
direkten und indirekten Kosten plus eben den Aufschlagssatz; welch
simple Vorstellung.
Wäre der Prozess der Preissetzung wie eben beschrieben, müssten die Unternehmen in einer Krise oder auch nur bei abnehmender Konjunktur zugleich die Kosten senken bei den Produktionsfaktoren, die überhaupt für eine Senkung geeignet sind, also sowohl die variablen Anteile an den Stückkosten wie auch bei den Fixkosten Einsparungen vornehmen und gleichzeitig das Mark-up erhöhen. Kurz vor Insolvenzen mag das stattfinden. Aber wenn den Unternehmen sonst nichts einfällt, ist eine Insolvenz so kaum aufzuhalten.
Bei Monopolen und Oligopolen ging man nicht selten in der Theorie davon aus, dass die Monopolpreise eine Komponente reflektieren, die aus dem Einfluss über Beschaffungsmärkte, über Sicherung von Produktivitätsvorsprüngen und auch aus dem Einfluss von Unternehmen auf ihre Absatzmärkte herrührt. Den Beweis dafür lieferte aber einzig eine differenzierbar höhere Profitrate von Großunternehmen gegenüber kleineren, weniger einflussreichen Wettbewerbern, der aber bislang nicht geführt werden konnte.
Auch das krasse Gegenteil ist der Fall. Im Verlaufe der letzten Hundert Jahre konnte auch festgestellt werden, dass in hochkonzentrierten Branchen bzw. oligopolen Produktionszweigen sich die Preise über längere Zeiträume hinweg weniger häufig änderten als in weniger- oder nicht-konzentrierten Anbietersegmenten. Und auch die Amplitude der Preisbewegungen über längere Zeiträume betrachtet, fiel geringer aus. Es schien, als ob sich die Preise an einem sog. Gleichgewichtspreis orientierten, also einem Preis, zu dem keine Überschussnachfrage nach dem angebotenen Gut besteht, was auch einleuchtend erschien, denn in ökonomischen Abschwungphasen haben Oligopole nie die Preise erhöht, allenfalls gleichgehalten und mit Mengenanpassung, also Produktionsdrosselung reagiert2.
Geht man von einer erhöhten Preiselastizität der Nachfrage aus, wird erklärlich, dass konzentrierte Branchen durch ihre überdurchschnittliche Kapitalintensität, also den Kapitaleinsatz je Erwerbstätigen, sowie den hohen Fixkostensockel pro Output-Einheit immer schon bei der Preissetzung von den Gesamtproduktionskosten ausgingen. Deshalb reagieren jene Unternehmen auf größere Markt- bzw. Absatzschwankungen eher mit Preisstabilität bzw. leichten Preisrückgängen und nehmen eine geringere Profitmarge und Gesamt-Profitrate in Kauf, zumal kleine Wettbewerber größere Preisschwankungen in Kauf nehmen müssen und nachdrängende Großunternehmen in konjunkturellen Abschwungphasen höhere Markt-Eintrittsbarrieren vorfinden, allein schon wegen niedrigerer Renditen auf den Anleihemärkten.
Krisen und Größen
Bislang konten wir eine innere Krisendynamik bei Monoplen bzw. Oligopolen nicht verifizieren. Aber besonders bei diesen beiden Unternehmenstypen müsste sich der tendenzielle Fall der Profitrate am ehesten und am deutlichsten zeigen. Jedenfalls scheint eine Theorie der Beziehung zwischen Fall der Profitrate und relativer wie absoluter Kapitalakkumulation nicht zu greifen; bislang nicht in Sicht.
Wir haben angesprochen, dass in hochzentrierten Branchen bei Konjunkturschwankungen, bin hin zu Nachfrageschocks, die Unternehmen nicht mit Preisanpassungen, weder nach oben noch nach unten operieren, sondern mit Mengenanpassungen. Oligopole haben das Problem, sich schnell an die optimale Kapazitätsauslastung anzupassen, Überkapazitäten sind das auffallende Phänomen in solchen Konjunkturphasen.
Hohe Überkapazitäten sind also nicht die Folge von monopolistischen bzw. oligopolistischen Marktstrukturen sondern konjunkturell bedingt. Die konjunkturelle Bedingtheit erscheint in einer sichtbar größeren Amplitude von Auslastungsschwankungen bei diesem Unternehmenstyp; man könnte formelhaft auch sagen: je höher die marktbeherrschende Stellung von Unternehmen, um so abhängiger sind sie auch von Marktschwankungen.
Hochkonzentrierte Branchen zeigen stets eine überdurchschnittlich kapitalintensive Produktion, woraus sich gleichzeitig ein überdurchschnittlich hoher Fixkostenanteil ergibt, jedenfall bei entwickelten Unternehmen der Güterproduktion. Die Kapitalintensität hat zum Markt hin zwei Seiten. Einmal bewirkt sie hohe Eintrittsschranken in Phasen konjunktureller Belebung und eben solche Austrittsschranken in Abschwungphasen. Die Big Ships zeichnen sich also speziell durch enorme Flexibilitätsschranken oder Mobilitätsverzögerungen aus, die aus der Art und Weise ihrer Produktion herrühren und nicht aus ihrer marktbeherrschenden Stellung.
Schaut man in Richtung der Stagnation der konsumptiven und investiven Nachfrage, dann findet man dort Ökonomen, die eine Relation zwischen Profitrate und Wettbewerbsverschiebung zugunsten von Monopolen und Oligopolen sehen3. Darin eingebettet in die Annahme, dass durch Monopolisierung und Oligopolisierungen in gesamtwirtschaftlicher Hinsicht eine Verschiebung der Lohn-Profit-Rate auf der Seite der Konsumption und damit verbunden der Ausbildung von stark- und schwach-profitabel wirtschaftenden Branchen oder Sektoren der Gesamtwirtschaft sich herausbilden.
Eine Verschiebung der Lohn-Profit-Rate zugunsten Monopolen und Oligopolen implizierte bei diesen Marktstrukturen auch eine entwickelte Massenfertigung, ohne die eine Differenzierung der Profitraten kaum möglich und vergleichbar ist.
Die Differenzen der Profitraten sind also gedacht als konzentrationsbedingte Wettbewerbsverschiebungen. Jedes Surplus an Profit wird als Indikator für die Einschränkung des „vollständigen“ Wettbewerbs in Richtung eines unvollständigen Wettwerbs gesehen und somit als Indikator für den gesamtwirtschaftlichen Grad an Monopolisierung bzw. Olipolisierung.
Verschiedene
Studien4
aber widerlegen diese Implikationen. Im Branchenvergleich lassen sich
keine signifikanten, systematischen Verwertungsvorsprünge für
Oligopole und Monopole nachweisen. Länger am Markt tätige
Großunternehmen produzieren ihre Güter mit leicht erhöhter
Arbeitsproduktivität5
und überdurchschnittlicher Kapitalintensität gegenüber
kleineren Unternehmen.
Dies erwirkt im Ergebnis eine unterdurchschnittliche
Kapitalproduktivität und weist zudem ein ungünstigeres
Verhältnis zwischen Löhnen und Profiten aus.
Vergleicht
man nicht die Branchen in sich sondern branchen-übergreifend,
dann findet man keine Korrelation zwischen dem Konzentrationsgrad der
Brachen und der überzyklischen Differenzierung der Profitraten.
Bei der Differenzierung der Profitraten sind die Faktoren
Kapitalintensität und Arbeitsproduktivität signifikant,
also eher Produktionsbedingungen als Marktstrukturen.
Wenn also auch hochkonzentrierte Branchen auf lange Sicht sehr unterschiedlichen Profitraten ausgesetzt sind, stellt sich die Frage: woher dann ihre, wenn vorhanden, überdurchschnittlichen Renditen kommen? In diesem Kontext stehen alle jene Gewinnfaktoren, die in der klassischen Mehrwerttheorie nicht oder nur marginal enthalten und analysiert worden sind und die vor allem auf den Zugang zu den heutigen Kapital- und Geldmärkten beruhen.
Wenn Erträge aus Finanzmarktanlagen, aus Beteiligungen, Krediten und „Windfall-Profiten“6 hinzu kommen, eventuell auch aus staatlichen Subventionen, dann realiseren konzentrierte Branchen einen Extra-Gewinn gegenüber Wettbewerbern, deren der Zugang zu diesen Märkten erschwert oder verschlossen ist. Gleichwohl also Vorteile bei der Verfügung über Geld- und Windfall-Kapital und somit auch potenziell bei der Kapitalkakkumulation für Großunternehmen bestehen, können für die Unternehmen keine signifikanten Vorteile aus Konzentration hinsichtlich zyklischer Krisen bzw. bei langfristigen wirtschaftlichen Abschwüngen oder Stagnationsphasen abgeleitet werden.
Es ist sinnvoll, den Aspekt der Konzentration von dem der Marktstrukturen zu trennen. Des weiteren ist der Verknüpfung von Konzentration und Macht i.S. von Monopolmacht, wie wir schon in einem vorherigen Kapitel sahen, auch aus der jüngsten Hinsicht hier mit größter Vorsicht zu begegnen, gleichwohl wir in jüngerer Zeit die nicht unerheblichen Auswirkungen politischer Entscheidungen hinsichtlicher der Erleichterungen auf dem Leiharbeitermarkt auf die Lohn-Profit Relation in Großunternehmen, die natürlich am meisten davon profitieren, erleben.
Wir haben gesagt, dass Prozesse der Veränderung innerhalb des Wettbewerbs sich besser aus den sich verändernden Produktionsbedingungen und den Zugängen zu den Kapital- bzw. den Finanzmärkten beschreiben lassen, denn aus Markt- und Machtstrukturen. Monopolitische Machtvorstellungen bzw. Willkürhandlungen sind Begleiterscheinungen und geben keine Erklärungsmuster ab für die wirklichen Veränderungen auf den Wettbewerbsmärkten und seien sie noch so monopolistisch oder oligopolistisch. Die Vorstellung, der Wettwerb käme in so etwas wie eine Phase der Machtlosigkeit von Einzelunternehmen durch Unternehmer-Willkür in Großunternehmen, entbehrt nicht einer gewissen Form von Komik.
Konzentration – Zyklen
Bislang haben allen Betrachtungen um die These vom tendenziellen Fall der Profitrate keinen Anhalt für deren Richtigkeit gegeben. Die Flexibilität selbst von Großunternehmen scheint in Hinsicht auf die relative Kapitalakkumulation wie auch auf Löhne und Preise derart hoch zu sein, dass selbst anhaltende konjunkturelle Krisen abgefedert werden können wie auch in Aufschwungphasen keine rein ökonomischen Faktoren einer Wettbewerbsdominanz sich ausbilden.
Vorstellungen von Machtstrukturen und Willkür durchziehen ein altes Unternehmerbild, dem soziologisch wie psychologisch durchaus einiger Anlass zur Reflexion gegeben ist, das aber kein gesamtwirtschaftliches Fundament hat. Selbst US-amerikanische Ölmultis des letzten Jahrhunderts waren, was Löhne und Preise angeht, weit entfernt von Willkür und Ausbeutung des Sektors Arbeit. Und wie es aussieht, hilft ein Ansatz, der von den klassischen Produktionsfaktoren; Kapital, Arbeit und Boden ausgeht, wie dies von Adam Smith und ganz besonders durch Ricardo geschehen ist, auch wenig weiter.
Es war ja eigentlich Marx, der von Produktionsweisen ausgehend das Wirtschaftsgeschehen analysiert hat, um so verwunderlicher mutet das dann an, wenn durch übermäßige Kapitalakkumulation schlussendlich Marktmachtstrukturen in Willkür und Beherrschung über Arbeit und Wettbewerb umschlagen sollen.
Zugegeben, diese Vorstellung war verführerisch und nicht um zahlreiche empirische Erfahrungen verlegen, besonders im ersten halben Jahrhundert der industriellen Revolution in England, später in Kontinentaleuropa und auch in den USA, besonders in den Südstaaten. Ausbeutung war an der Tagesordnung, aber deren Gründe lagen nicht auf der Ebene konzentrationsbedingter Differenzierung der Profitraten.
Liest man, was Marx zur freien, d.h. kapitalistischen Konkurrenz schreibt, dann findet man zwar Determinaten für die Profitratendifferenzierung, aber deren Weg führt über die Hypothese von einer lang anhaltenden, dauerhaften Vorteilsnahme des Großkapitals in Bezug auf die wichtigen Verwertungszweige der Ökonomie: Arbeit, Boden bzw. Rohstoffe, Preissetzung und Absatzmärkte.
Innerhalb konkurrierender Produktionszweige finden sich in einem entwickelten Zustand allerorts Marktpreise, die um einen Produktionspreis bzw. einem Marktwert schwanken, wobei die Schwankungsamplitude nicht dramatisch ist. Und damit verbunden undramatisch verschiedene Profitraten, die aufgrund jeweils unterschiedlicher Produktionsbedingungen und somit verschiedener Stückkosten zu einem bestimmten Zeitpunkt sich ergeben.
Ähnlich, strukturell betrachtet, verhält es sich zwischen den Produktionszweigen, also wettbewerbsübergreifend. Hier bilden die Produktionspreise jene Amplituden um einen Marktwert bzw. Marktpreis, der die gesamtwirtschaftliche Profitrate ausdifferenziert.
Im Ergebnis bedeutet dieser Ansatz, dass eine Beziehung sich ausbildet zwischen konjunkturellen, meist mittel- bis langfristigen, also zyklischen Schwankungen auf den Märkten, die sich in der Relation zwischen Angebot und Nachfrage ausdrücken lässt und den darin jeweils realisierten Profitraten, die wiederum auf verschiedene Produktionsbedingungen zurückzuführen ist. Die jeweilige, durchschnittliche Einkommensverteilung steht dann in Beziehung zur durchschnittlichen Profitrate, die beide, idealerweise um den Grad der zyklischen Schwankungen fluktuieren.
Dieser doch recht mechanisch anmutende Ansatz berücksichtigt eine gesamtwirtschafliche Harmonisierung der jeweils technisch fortschrittlichsten Produktionsmethoden sowie allseits offene Zugänge zu den günstigsten Beschaffungs- wie zu den wichtigen Absatzmärkten und heute müsste man noch hinzufügen zu den günstigsten Produktionsstandorten weltweit. Er beinhaltet aber keine spezielle Betrachtung auf etwaige Wechselwirkungen zwischen Monopolisierung und konjunkturellen Zyklen unter der Annahme einer langfristig sich beschleunigende Kapitalakkumulation.
Betrachten wir die Wechselwirkung von Wirtschaftszyklen und Kapitalakkumulation ganz generell, dann kann man festhalten, dass Großkonzerne bis in die 70er und 80er Jahre des letzten Jahrhunderts eine andere Struktur aufwiesen und auch andere Möglichkeiten der Reaktion auf Zyklen hatte. Beispielhaft für die Struktur mögen die damaligen, großen japanischen Unternehmen sein, die großen Handelshäusern glichen mit enormer Produktdiversifikation und Marktdifferenzierung. Gut kapitalisiert und meist auch Technologieführer in ihren Branchen erfolgte bei ihnen ein sich langfristig verlangsamender aber stetig voranschreitender Kapazitätenausbau, kapitalintensive Produktion mit hohen Lohnstückkosten.
Diese Großkonzerne arbeiteten wie man heute weiß, wirtschaftlich nicht optimal. Bei konjunkturellen Belebungen und vor allem bei erhöhter Nachfrage auf den Weltmärkten ging der Ausbau zusätzlicher Produktion stehts einher mit fallenden Weltmarktpreisen, die nur mäßig durch Lieferverzögerungen aufgehalten werden konnten. In Deutschland, nebenbei vermerkt, gab es zu jenen Zeiten Wartezeiten auf eine neuen „Daimler“ von durchschnittlich sechs Monaten und mehr.
Optimaler Output, also Produktion unter Vollauslastung, erwirkte in konjunkturellen Hochphasen eine Inflation der Preise und wurde extrem verstärkt durch die damals von den nationalen Notenbanken zur Inflationssteuerung eingesetzten Zinserhöhungen, die wiederum einen Teil der zyklischen Wachstumsdynamik ausbremste, auch indem Konsumkredite teurer wurden. Hohe Wachstumsdynamik, fallen Preise, steigende Löhne und Inflation sind der Horror für Noten- und Zentralbanken. Sie folgen einer anderen „Logik“ als die Industrie; wir kommen darauf zurück.
Während also auf der einen Seite ein Konzentrationsprozess stattfand bewirkten konjunkturelle Hochphasen auf der Kapitalseite eine verlangsamte Kapitalakkumulation und eine fallende Lohn-Profit-Rate. Gesamtwirtschaftlich gesehen führten die 70er-80e Jahre in Japan zu ausufernden Konsumexzessen und zu einer gigantischen Immobilienblase auf dem Sektor der Privat-Immobilien, zum Teil auch bei Gewerbeimmobilien. In den folgenden Pasen konjunkturellen Abschwungs waren die japanischen Big Ships wenig flexibel, zumal der japanische Arbeitsmarkt völlig erstarrt war in wirtschaftlich kompletter Unvernunft. Japanische Unternehmen wie japanische Arbeit war von der Vorstellung ewiger Verbundenheit beseelt. Man war nicht Angestellter oder Arbeiter in einem Unternehmen, sonder war eine Gemeinschaft, deren Intensität und Dauer weit über der sozialer Gemeinschaften lag. Und durch diese Verbundenheit schien auch die Kreditwürdigkeit bei Konsum-, Anschaffungs- und Immobilienkrediten grenzenblos.
Konzentration - Zyklen: Das japanische Modell
Es war im Jahr 1990, als der Nikkei um satte 40% ein- und die sog. Japan Ag zusammenbrach. Die Krise, über die wir hier nachdenken, bezeichnet nicht dieses Datum, sondern den Zustand, dass Japan und seine Wirtshaft bis heute sich nicht davon erholt haben.
Wie Deutschland, hat Japan nach dem Zweiten Weltkrieg einen enormen Aufschwung erlebt, wurde noch vor Deutschland in der Welt eine führende Wirtschaftsnation. Selbst eine ganze Serie von externen Krisen wie bspw. die Auflösung des System fester Wechselkurse von Bretton Woods (1971-1973) oder die Ölkrise (1973/74) konnten der japanischen Wirtschaft nichts anhaben, zumal Japan selbst, während der Yen ständig an Wert zulegte, durch die Deregulierung des Außenhandels und der Finanzmärkte das beschleunigte Wachstum aufrecht erhalten konnte.
In den 80er Jahren war Japan zeitweise der weltwirtschaftliche Motor, seine Dynamik und Innovationsfähigkeit waren, neben moderner Management- und Produktionsmethoden beispielgebend. Just in time, on demand, Kaizen u.v.a.m. waren Stichwörter japanischer Wirtschaftsüberlegenheit mit industriellen Schwerpunkten in Schwerindustrie, wie etwa Stahl, Chemie, Hightech- und Elektroindustrie, audf die etwa 60% der jählichen Gesamtexporte fielen. Automobil- und Schiffsbau folgten mit wenig Abstand.
Japans Wirtschaft glänzte durch ständige technische Innovation. Was weniger kolportiert, aber dennoch nicht weniger relevant war und als Auslöser des sagenhaften Booms jener Zeit galt, war die Zinspolitik der Bank of Japan. Seit 1982 waren die Leitzinsen in Japan stetig gefallen. Der Diskontsatz fiel von 5,5 Prozent im Jahr 1982 bis auf 2,5 Prozent in 1987, wo er dann weitere zwei Jahre blieb. Hohe staatliche Investitionsausgaben und massive Senkung der Leitzinsen waren die Hauptgründe dafür, dass die Kapitalbeschaffung für die Finanzierung einer expansiven und sich zu immer größeren Einheiten konzentrierenden Wirtschaft zu extrem niedrigen Zinsen am Finanzmarkt zu bekommen war. Dadurch wurde der Aufschwung in der Wirtschaft des Landes, insbesondere in der Exportindustrie, signifikant verstärkt. Gleichzeitig forcierten die geldpolitischen Maßnahmen auch den Preisanstieg am Aktien- und Immobilienmarkt.
Damals waren die realwirtschaftlichen Prozesse in aller Munde, aber und vor allem in Deutland wusste man wenig bis nichts über die Börsengänge großer Unternehmen damals vor dem Einbruch der Krise. Im Zuge der Börseneinführung der Nippon Telephone & Telegraph (NTT) im Jahr 1987, die bereits in der ersten Tranche satte Kursgewinne zeichnete, begann ein Run auf die Emission und führt zu massiven Wertsteigerungen hier wie bei vielen anderen Aktien. Den Boom mag verdeutlichen, bedenkt man, dass bereits ein Jahr danach, also 1988, der Börsenwert von NTT den Wert aller an sämtlichen deutschen Börsen notierten Inlandsaktien überstiegen hatte.
Und dieses Jahr 1988 mag als Lehrbeispiel für das „neue“ Zeitalter gelten, in dem die traditionelle Wertentwicklung wie auch die Krisen aktiver Unternehmungen durch die Expansion der Finanzmärkte sich veränderte. Die Synthese aus billigen Krediten und steigenden Aktienkursen verleiteten immer mehr Unternehmen, Investitionen anstatt in ihrem eigentliches Geschäftsfeld lieber am Finanzmarkt zu tätigen. Ebenso versuchten Unternehmen, deren Branchen aufgrund des weltweiten Wettbewerbs im Abschwung sich befanden, sinkende Profitraten durch Finanzgeschäfte auszugleichen wie z.Bsp. die japanische Schwerindustrie in jenen Jahren.
Da damals die Immobilien- bzw. Grundstückspreise wie die Aktienkurse sehr stark anzogen, wähnten die ins Schwanken geratenen Unternhehmen auch aus dem Gedanken ihrer internaliserten Diversitätserfahrung Investments an den Börsen für geeignet und hinterlegten als Kreditsicherheit fraglos ihren großen Immobilienbesitz, der sich mittlerweile aufgebaut hatte. Ende der Achtziger Jahre hatte der Boom gigantische Ausmaße angenommen. An der Börse hatte sich der Tokioter Leitindex Nikkei-225 innerhalb von nur drei Jahren mehr als verdoppelt: Zum Jahresanfang 1987 lagen die Kurse noch bei rund 17.000 Punkten und am 29. Dezember 1989 erreichte der Index mit 38.916 Yen einen neuen Höchststand. Gleichzeitig war das Volumen der gehandelten Aktien von 120 Milliarden im Jahr 1983 auf 280 Milliarden im Jahr 1989 gestiegen. Auch der Immobilienmarkt hatte sich mittlerweile exterm aufgebläht. Der Preisindex für Wohnimmobilien in sechs großen Städten vervierfachte sich von 5800 Punkten im Jahr 1980 auf 20.600 Punkte im Jahr 1989.
Damals
war man so euphorisiert vom Anstieg der Kurse wie der Preise, die
us-amerikanische Finanzkrise war noch weit entfernt, so dachte
niemand an das Ende der Spirale. Den Irrsinn jener
Golfgräber-Mentalität damals mag belegen, dass zu diesem
Zeitpunkt die Grundstückswerte des Kaiserpalastes in Tokio mehr
wert waren als der Grund des US-Staates Kalifornien und alle
japanischen Grundstückswerte zusammen sogar viermal so hoch
bewertet waren wie die der gesamten Vereinigten Staaten. Un den
Unterschied zwischen den Ratings und den Sachwerten, die sich in
einem sich umkehrenden Markt einstellen können, dachte
niemand.
Ohne Probleme war es möglich, ein Grundstück im
bereits überhöhten Wert von einer Million Euro als
Sicherheit für einen Kredit über 1,2 Millionen Euro zu
hinterlegen, da sich gemäß der allgemeinen Meinung die
Lücke von 200.000 Euro ja innerhalb weniger Monate schließen
würde.
Schauen
wir zurück auf die Kehrseite des Booms, dann waren die
erheblichen Veränderungen und Problemgründe der japanischen
Volkswirtschaft durchaus schon sichtbar.
Jeder hätte damals
auch schon erkennen müssen, dass ein derart ungesundes Aufblähen
der Sektoren Finanzen, Versicherungen und Immobilien nicht ewig
währen konnte. In jenen Jahren fand eine extrem beschleunigte
Rationalisierung in den Unternehmen statt und zwar sowohl in der
Produktion, wo immer neue Technologien zum Einsatz kamen wie auch in
den administrativen Bereichen der Unternehmen, was zu einem
deutlichen Anstieg der Arbeitslosigkeit führte.
Zahllose Familien waren schnell nicht mehr in der Lage, die hohen Immobilienpreise für den Eigenerwerb aufzubringen und wurden auf den privaten Wohnungssektor verwiesen, wo natürlich auch die Mieten sprunghaft anstiegen und einen Großteil der Erwerbssumme band und also dem Konsumgüterbereich entzog. Die Kaufkraft der japanischen Privathaushalte ging drastisch zurück.
Gleichzeitig wuchs auch die innere Staatsverschuldung stetig an und erreichte im Jahr 1988 bereits die Hälfte des Bruttosozialprodukts. Allein die Tilgung der Zinsen erforderte damals fast ein Fünftel der Staatsausgaben. Aber auch in der Geldpolitik fand Japan nicht die richtige Antwort auf die gesamtwirtschaftlichen Entwicklung, die sich nicht nur in Japan abzeichnete, sondern ein weltweites Phänomen bereits war. Während die Nationalbanken in den USA oder Deutschland seit 1987 bzw. 1988 die Leitzinsen wieder anhoben, wartete die Zentralbank von Japan noch bis ins Jahr 1989, ehe sie ebenfalls ihren Kurs änderte.
Staatliche
Schuldenlast aber braucht mehr als nur geldpolitische Steuerung und
deshalb verabschiedete die japanische Regierung im Jahr 1989 eine
große Steuerreform, die durch eine allgemeine Mehrwertsteuer
dem Staat stark steigende Mehreinnahmen bringen sollte, um die enorme
Schuldenlast einzudämmen. Die Bank of Japan erschwerte den
Zugang zu Krediten, insbesondere für Immobilienerwerb und
-handel, beschränkte die Höhe der Kreditsumme, die Banken
für Immobiliengeschäfte ausgeben durften, hob den Leitzins
binnen 15 Monaten von 2,5% auf 6% in der Hoffnung, die überhitzte
Konjunktur dadurch abzukühlen.
Die ersten beiden
Leitzinserhöhungen verpufften in der Aufschwungseuphorie, erst
die Anhebung auf 4,25 % Ende 1989 brachte die gewünschten
Wirkungen; der Anstieg des Nikkei ging zurück, der japanische
Leitindex sank binnen vier Monaten deutlich.
Zu
glauben, dass solchen Blasen und Wirtschaftsentwicklungen sich durch
derartige Maßnahmen rasch korrigieren lassen, erwies sich
damals wie heute, denkt man an die EZB, als Fabel. Denn die Blase
sind in Wirklichkeit viele kleinere Blasen, die nach und nach mit
leisem Knistern vor dem Knall zerplatzen. Gerüchte über
Probleme im Finanzsektor machten langsam die Runde. Das Durchwinken
von Großkrediten bislang bevorzugter Kunden ohne Überprüfung
des Kreditrisikos wurde weniger üblich. Üblich wurde eine
genauere Durchsicht der Buchführung, bei der man dann recht
fantasievolle Kontenpositionen und Transaktionen fand, die auch
ungedeckte Kredite verschleierten und die den wahren Wert des
Schuldner erheblich anders darstellten, als vormals
versichert.
Japans Banken saßen damals nach Berechnungen der
neuen Finanzüberwachungsbehörde (FSA) auf „problematischen“
Krediten im Umfang von 87,5 Billionen Yen, umgerechnet 1.120 Mrd. DM
und damit auf erhgeblich mehr, als in Japans Regierung errechnet und
durch sie veröffentlicht.
So kolportiert ließen die Machenschaften der Unternehmenslenker den Nikkei binnen sechs Wochen um ein Drittel weiter fallen, doch damit nicht genug. Wie auch in der jüngeren Finanzkrise hysterisierte sich der Zustand des allseits stumm gebilligten Vertrauens zu einer fast paranoiden Risikoaversion der Banken, zwar nicht untereinander wie 2007, sonder gegenüber den Großunternehmen. Banken sperrten die Kreditvergabe und verweigerten den Firmen damit dringend benötigte finanzielle Mittel. Immer mehr Firmen mussten dadurch Insolvenz anmelden und verursachten damit einen erneuten Kreditausfall bei den Banken. Dazu belasteten die Zinserhöhungen der Bank of Japan in dem selben Zeitraum diesen Prozess noch zusätzlich.
Ein verheerender Effekt der Börsenkrise fand den Immobilienmarkt. Dort sank das Transaktionsvolumen durch die schwindenden finanziellen Geldmittel drastisch und zum anderen kamen die Unternehmen, die vorher ihre Grundstücke als Kreditsicherheit verpfändet hatten, in Schwierigkeiten und mussten letztlich Grundstücke veräußern, natürlich nun nicht mehr zu den Preisen, die in den Büchern standen. Größere Werberichtigungen waren für die Unternehmensbonität nicht gerade vorteilhaft, wie man schnell versteht. Gleichwohl ging der Fall des Finanzmarktes nicht synchron in der Höhe mit den Immobilienpreisen, gleichwohl war Japans Wirtschaft bereits nachhaltig in eine Rezession gerutscht.
Der Nikkei war abgerutscht und einem Ende der Baisse widersprach jede Phantasie. Zu dieser Zeit war der Diskurs über Japans Wirtschaft und Börse längst aus einer asymmetrischen in eine emphatische Diktion übergegangen und jede Horrormeldung schien die Börse zusätzlich zu schockieren, so daß die Geldpolitik der Bank of Japan regelrecht ins Nichts verpuffte. Leitzinssenkungen hatten keinerlei Wirkung mehr und begleitend dazu sanken die Grundstückspreise kontinuierlich bis sie dramatisch im Jahr 1996 in den Städten über 50 Prozent unter den Höchstmarken einen ersten Boden fanden. Für Japans private Immobilienbesitzer war der Traum von einer sicheren Geldanlage mit Vermögenseffet und Alterssicherung zuende geträumt.
Zieht man eine Zwischenbilanz bis zum Jahr 2000, dann stellt man fest, dass sich die Krise in Japan binnen zehn Jahren nicht verändert hat und im engeren Sinne eher volkswirtschaftlich verschärft hat. Der Nikkei verzeichnet mit einem Stand von rund 9700 Punkten einen Rückgang von ca. 75 Prozent unter dem Stand vom Dezember 1989. Die Höhe der faulen Kredite ist im Jahr 2000 mit geschätzten 550 Mrd. US-Dollar so hoch wie damals, die japanischen Banken sind marode, alle Zinssenkungen erfolglos, obwohl der Diskontsatz bereits 2000 jahrelang auf Tiefststand bei 0,1% verharrt. Auf die Rezession wurde die Phase einer bis heute andauernden Deflation ab 2000 eingeläutet und die Staatsschuldenquote stieg auf ca. 180% des BIP. Die Prognosen sind düster.
Anmerkungen:
1 (Vgl. auch Susanne Wied-Nebbeling, Das Preisverhalten in der Industrie zwischen Kontinuität und Wandel, in: G.Bombach u.a.(Hg.), Industrieökonomik: Theorie und Empirie, Tübingen 1985).
2 Vgl. J. Steindl, Maturity and Stagnation in American Capitalism, New York/London 1976, S.14ff.
3 Vg. vgl. H. Schui, Stagnation als Folge zunehmend differenzierter Profitraten, in: Konjunkturpolitik, 1978
4 Eckhard Hein, Konzentration und Profitratendifferenzierung, Frankfurt 1991, S.58ff.
5
Vgl. Gabler, 1. Begriff: Verhältnis von gesamtwirtschaftlichem
Produktionsergebnis und Arbeitseinsatz. Arbeitsproduktivität
wird häufig mit Produktivität gleichgesetzt.
Kehrwert:
Arbeitskoeffizient.
2. Arten: a) Durchschnittliche
Arbeitsproduktivität (Durchschnittsproduktivität des
Faktors Arbeit): die pro eingesetzter Einheit des Faktors Arbeit
erzielte Produktionsmenge.
b) Marginale Arbeitsproduktivität
(Grenzproduktivität des Faktors Arbeit): mengenmäßiger
Produktionszuwachs auf den Einsatz einer zusätzlichen Einheit
des Faktors Arbeit bezogen.
3. In der Grenzproduktivitätstheorie
der Verteilung ist die Grenzproduktivität des Faktors Arbeit im
Gleichgewicht dem Reallohnsatz gleich.
4. In der
Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung (VGR) ist Arbeitsproduktivität
definiert als das Verhältnis von Bruttoinlandsprodukt (BIP)
oder unbereinigter Bruttowertschöpfung jeweils in konstanten
Preisen zur Einsatzmenge an Arbeitsleistung (gemessen an der Zahl
der Beschäftigten oder an den geleisteten Arbeitsstunden).
6 Man spricht von einem Windfall-Profit oder auch Zufallsgewinn (im Gegensatz zum Windfall-Loss), wenn ein unvorhergesehener, nicht eingeplanter bzw. nicht einplanbarer Gewinn, ein plötzlicher Vermögenszuwachs, der nicht durch Leistungsabgabe, sondern durch eine Veränderung der Marktlage entsteht. Dieser kann bspw. auf Gütermärkten durch eine Änderung staatlicher Regulierungsvorschriften zugunsten eines Unternehmens oder auf dem Devisenmarkt bei einer unerwarteten positiven Kursänderung eines Wechselkurses u.a. entstehen.
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